Berglandwirtschaft & Handwerk

Im Villgratental hat sich eine wahrhaft großartige bäuerliche Kulturlandschaft erhalten. Rund 15 Kilometer schlängelt sich das enge Tal mit seinen steilen Hängen und mächtigen Gipfeln vom Osttiroler Pustertal nach Norden. Nur wenige Kilometer trennen die Hauptorte Außervillgraten und Innervillgraten. Bei Außervillgraten zweigt rechts das Winkeltal ab, hinter Innervillgraten teilt sich das Tal erneut, links geht es hinauf zum Wallfahrtsort Kalkstein, rechts weiter zu den Staller Almen, vorbei am Freilichtmuseum Wegelate Säge.

Wie Adlerhorste kleben die handwerklich perfekt gepflegten Bauernhöfe an den steilen Hängen. Im Villgratental liegen die höchsten Höfe auf 1.730 m, höher als viele Almen. Charakteristisch für das Villgratental sind die Almdörfer. Diese Hüttenensembles entstanden für die Sennerei im Sommer, die „Kasern“ gleichen kleinen Bauernhäusern mit Wohnraum und Stall.

Die Innervillgrater Almdörfer Oberstaller-, Unterstaller-, Alfen- und Kamelisenalm sowie einzelne Hütten im Außervillgrater Winkeltal und am Thurntaler sind charakteristisch für das Tal. „Die Almen sind der schönste Besitz der Villgrater“, schrieb der aus Heinfels am Taleingang stammende Heimatpoet Franz Josef Kofler (1894 – 1961).

Ihr Ursprung reicht ins 15. Jahrhundert zurück. Damals begann man die zuvor in „Ge­mein­der­schaft“ geführten Urhöfe der frühen Siedler zu teilen, in Einzelfällen bis zu 1/96. Für die wachsende Bevölkerung wurden neue Flächen zur Bewirtschaftung ur­bar gemacht. Das zusätzliche Heu für die Winterfütterung der Tiere wurde auf den steilen Bergwiesen, die bis hinauf auf 2.500 Meter reichten, gewonnen. Die Ein­bring­ung war aber äußerst mühsam und gefährlich. So entschie­den sich die Bauern, im Sommer mit Familie, Kind und Kegel auf die Alm zum weidenden Vieh zu ziehen und den ganzen Sommer dort zu bleiben. Deshalb gleichen die Almhütten, die in der Villgrater Mundart „Kasern“ oder „Kammern“ heißen, kleinen Bauernhäusern mit zwei Stockwerken: oben befanden sich die Wohnräume, unten war der Stall. Das gesamte Dorfleben verlagerte sich somit für mehrere Monate auf die Alm.

Als im Spätsommer im Tal das „Gruimat“, die zweite Mahd, zu mähen war, zog die Familie wieder zurück zum heimatlichen Hof. Mehr als fünfhundert Jahre lang gab es diesen Kreislauf im Leben der Villgrater, bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Heute sind die Hütten der Villgrater Almdörfer begehrte Urlaubsdomizile, vielfach Monate vor der Saison ausgebucht und bieten einen einfachen, naturverbundenen Urlaub in den Bergen. Rustikaler „Luxus“ mit kaltem Fließwasser, einem Holzherd und viel Ge­müt­lich­keit und Ruhe erwartet die Alm-Urlauber inmitten der herrlichen Bergwelt.

Zwei Bergsteigerdorf-Partner bieten solche Almhütten für den Bergurlaub an:

Die Hofanlage Wurzerhof im Außervillgrater Winkeltal, etwa zwei Kilometer außer­halb des Dorfzentrums, ist ein bewirtschafteter Bauernhof mit Selbstversorger-Unterkünften und einem Museum, dessen Spuren ins frühe 15. Jahrhundert zurück­reichen und als einzigartig in Tirol gilt. Ab 1999 vom Villgrater Heimatpflegeverein liebevoll restauriert wurde das Ensemble  2001 unter Denkmalschutz gestellt. Die Getreidemühle (eine sehr seltene Zweifachmühle), das Museum im Keller mit Handwerksausstattung, Schmiede, Backofen und Vorratskammer, die Waschküche mit Selche sowie die Kapelle und das Sägewerk sind als Museum zugänglich.
 

Das traditionelle Handwerk ist neben der Landwirtschaft und dem Tourismus das dritte Standbein des Villgratentals. Ein eigener Themenweg widmet sich in mehreren Stationen dem Handwerk, das seit Jahrhunderten den Alltag der Menschen im Villgratental prägt. Ausgehend vom dorf.ladele in Innervillgraten erfährt man auf einem beschaulichen Spaziergang, wie es früher war und wie sich das Handwerk bis heute verändert hat. Auch wenn sich die Werkzeuge und Produktionsmethoden weiterentwickelt haben, gemeinsam ist den Handwerkern damals wie heute die Innovationskraft, die Verbundenheit mit ihrem Lebensraum und das Bekenntnis zu regionalen Wertschöpfungskreisläufen.

Im nebenstehenden Podcast spricht der Alpinist Alexander Huber mit den Handwerker:innen, die entlang des Weges ihre Werkstätten Besucher:innen öffnen. Eine Wegbeschreibung findet sich hier …

Tradition & Kultur

Trittsicher wie in den Bergen notwendig, pendeln im Villgratental Kultur und Brauchtum zwischen Tradition und Moderne. Die alte bäuerliche Baukultur trifft auf moderne Architektur, Volksmusik wir neu interpretiert, traditionelle Kirchtage werden ebenso gefeiert wie das neu ins Leben gerufene hochkulturfestival – “denn alles, was über 1.670 m Seehöhe passiert, zählt laut den Musiker:innen von Franui, ohne weiteres zur Hochkultur!”

Seine Bekanntheit verdankt das Villgratental auch heimischen Kulturschaffenden. Zwei bedeutende Fotografen, Peter Paul Atzwanger (1888 – 1974) und Hubert Leischner (1909 – 1999) haben das Bergbauernleben im Villgratental in den 1930er Jahren und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg eindrücklich festgehalten. Viel vom heutigen Wissensschatz über Villgraten ist dem Außervillgrater Lehrer, Schrift­steller, Volkskundler und Kulturkritikers Johannes E. Trojer (1935 – 1981) zu verdanken. Seine Kulturzeitschrift „Thurntaler“ zeugt von der Arbeit eines wachen, kritischen Geistes. Trojers Werk, heute zugänglich in einer vierbändigen Werkausgabe, hat Wirkung hinterlassen weit über die Villgrater Jöcher hinaus.

Für eine Belebung des Dorflebens sorgen die zahlreichen Vereine wie Musikkapellen, Schützen, Volkstanzgruppe, Schuhplattler- und Theatervereine in Außer- und Inner­villgraten. Der Villgrater Heimatpflegeverein zeichnet sich für die Bewahrung und Erhaltung Villgrater Kulturgutes aus. Der Verein Fanclub Franui organisieren regel­mäßig stattfindende Konzerte im Villgratental für die Musicbanda Franui (franui.at). Die weit über den Alpenraum hinaus erfolgreiche Musicbanda Franui welche ihre Wurzeln im Tal hat, hat sich ihren Namen von einer Villgrater Almwiese geborgt, und verarbeitet mit auch ironischen Anklängen an musikalische Traditionen des Tales und der Umgebung klassische Motive von Schubert, Mahler oder ländlicher Blasmusik zu einem unverwechselbaren Orchesterklang

Im kleinen Weiler Kalkstein in Innervillgraten befindet sich die neugotische Wall­fahrtskirche Maria Schnee. Der erste Kirchenbau in Kalkstein beruht laut mündlicher Überlieferung auf einem Pestgelöbnis. 1660 erfolgte dann die Kirchenweihe. Bei der Renovierung im Jahr 1859 blieben leider nur noch wenige Teile der alten Kirche bestehen. Die neue Wallfahrtskirche wurde schließlich 1875 eingeweiht. Seit 1949 ist der Kirche auch ein eigener Friedhof angeschlossen. Um 1800 wurde der Pfarrhof errichtet, und von 1880 bis 1991 war diese Filiale der Pfarre Innervillgraten mit einem Priester besetzt. Nach dem Tod von Johann Bergmann, dem letzten Expositur­priester, wurde das Widum dem Kalasatinerorden vermietet. Seit 1996 ist das „Haus Betanien“ nun ein Ort der Anbetung und Stille.

Auf vielen Almen des Villgratentals befindet sich inmitten der Almdörfer auch eine kleine Kapelle. Die Kapellen wurden von den Menschen zum Schutz gegen Unheil oder als Zeichen der Dankbarkeit errichtet. Auch im Tal befinden sich zahlreiche Kapellen, die allesamt liebevoll renoviert wurden und Wanderer zu einer kurzen Rast einladen. In der Tourismusinformation Villgratental liegen Kirchen- und Kapellen­führer mit ausführlicher Beschreibung auf.

Mit Hilfe des Villgrater Heimatpflegevereins wurde die Wegelate Säge von 1990 bis 1993 wieder in Stand gesetzt und erhalten. Somit steht in Innervillgraten das letzte Venezianer-Sägewerk, welches wie seit jeher ausschließlich mit Wasserkraft betrieben wird. Weiters stehen an diesem Standort ein Lodenstampf und eine Mühle. Informationen zu Besichtigungs- und Vorführzeiten gibts im Tourismusbüro.

Gasse 78
9932 Innervillgraten
Tel.: +43 (0) 50 212 340
Fax: +43 (0)4843 5317-10
E-mail: innervillgraten@osttirol.com
www.villgratental.com

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