Das Bergsteigerdorf Weißbach bei Lofer ist ein besonders “gebirgsreicher” Ort. Das Gemeindegebiet wird von fünf Gebirgsstöcken umrahmt: Loferer und Leoganger Steinberge, Steinernes Meer, Hochkalter und Reiter Alm.

Almen, Klammen, Klettergärten

Reist man von Lofer durch das Saalachtal nach Süden, dann stellt sich rasch das Gefühl ein, als befände man man sich in einer gewundenen, von einem ungeheuren Hobel ausgeschürften Steinrinne. Der kundige Glaziologe wird hier das Musterbeispiel eines eiszeitlich geformten Taltroges erkennen. „Hohlwegen“ lautet die treffende Lokalbezeichnung dieses Gebietes. Dabei ist der Talboden durchaus breit, umso höher ragen aber auf beiden Seiten die steilen Felswände in den Himmel. Der Gesamteindruck ist eher heiter als düster: Das grün schimmernde Flüsschen läuft durch Wiesengelände und kleine Waldstücke, im Talgrund sind einzelne Gehöfte und kleine Häusergruppen eingestreut. Über schroffen Seitentälern bauen sich eindrucksvolle Bergpyramiden auf, die aussehen, als hätte ein verspielter Gigant riesenhafte Gesteinsplatten gestapelt.

An der sonnigsten Stelle des Talgrundes breitet sich das bescheidene Dorf Weißbach aus. Alpinisten werden sofort die aufregende Felsplatte registrieren, die gleich hinter der Pfarrkirche aufragt und förmlich um Bekletterung bettelt. Hier befindet sich einer jener Klettergärten, die mittlerweile zum Markenzeichen des „Kletterdorfes“ Weißbach geworden sind.

In der Winterzeit wird Weißbach zunehmend von „Spezialisten“ aufgesucht: Bieten doch die schroffen Steilflanken des Saalachtales in Kombination mit den verlässlich tiefen Temperaturen ideale Voraussetzungen für Steileisklettereien. Und eine weitere Spezies tummelt sich vorzugsweise in der kalten Jahreszeit im Dorf: Es sind Höhlenforscher, die dem Schattenreich des Lamprechtsofens, dessen Portal sich gleich neben der Bundesstraße auftut, weitere Geheimnisse entreißen wollen.

Aber zurück an die Oberfläche: In engen Serpentinen überwindet die Hirschbichlstraße die Steilstufe nach Oberweißbach. Ein eigentümliches Hochtal tut sich auf. Über breitflächigen Bergwiesen lagern grauweiße Felsbänder, am Horizont künden die Südabstürze der Reiteralm bereits den Nationalpark Berchtesgaden an.

Die Gemeinschaftsalmen Kamerlingalm, Litzlalm und Kallbrunnalm sind ein beliebtes Ziel nicht nur für Wanderer, sondern auch für deren beräderte Kollegen. Dabei ist das weitläufige Almgelände im Vorfeld des Steinernen Meeres nicht nur unter almkulinarischen Aspekten attraktiv, sondern bietet unvergleichliche Einblicke in die vis á vis liegende Felsmasse der Leoganger Steinberge mit dem Birnhorn als höchsten Gipfel.

Mit der Einrichtung des Naturparkes Weißbach im Jahr 2007 erfährt das durch die jahrhundertelange Almwirtschaft geprägte Gebiet eine besondere Wertschätzung. Die traditionelle Kulturlandschaft soll mit den vier Schwerpunkten Landschaftsschutz, Erholung, Bildung und Regionalentwicklung erhalten und weiterentwickelt werden. Die Besucher sollen zahlreiche Informationspunkte und geführte Wanderungen nutzen und so die Wissensvermittlung mit spielerischem Spaß verbinden können.

Wer sich aber lieber selbstständig abseits belebter Pfade bewegt und die Augen offen hält, der wird auch im Kleinen mit einer Fülle von Eindrücken belohnt: die an manchen Stellen noch selbstverständliche Tradition der „gesteckten Zäune“, die rührend sorgfältig instand gehaltenen Wegkreuze und Marterln oder die in der Nähe uralter Jagdsteige gelegenen Felsritzzeichen mit ihrer eigenartigen, für uns Heutige kaum mehr entzifferbaren Symbolik; gleichsam ein rätselhafter Gruß aus längst versunkener Zeit …