Der Villgrater Weg

Die bergbäuerliche Landwirtschaft behauptet selbstbewusst ihren Platz in einem Konzept, das dem Massentourismus den Rücken zukehrt. „Ruhig bleiben“, steht im Leitbild des Tales: Was in der Vermarktung Gefahr läuft, kitschig zu wirken, wurde zur nachhaltigen touristischen und ökonomischen Leitlinie. Im Villgratental gibt es keine Skischaukel, und kein Quartier mit mehr als 50 Betten. Die Abgrenzung gegenüber Trends, die auf skitechnische Erschließung und Hotelkomplexe kapital­starker Investoren setzen, ist vor allem ein Versuch, auch dank mittelständischer Gewerbe- und Handwerksbetrieben, etwa in der Holzverarbeitung und mit bäuer­lichen Produkten die Wertschöpfung im Tal mit seinen rund 2000 Bewohnern zu sichern.

Unter „kraftwerkevillgraten.at“ präsentieren sich mehrere Spitzenbetriebe des Tals als originelle Plattform: Für die international gefragten Villgrater Schafwollprodukte wie Matratzen, Kissen, Jacken bis zu Dämmstoffen für den Hausbau (Villgrater Natur), für kulinarische Köstlichkeiten der gehobenen Gastronomie auf Basis heimischer Erzeugnisse (Gannerhof), für innovative Schmiedekunst (Schmiede Steidl), ein autochthones Modelabel (Mühlmann Bekleidung), eine Bürstenwerkstatt (BBR Rainer) und ein auch als Museum adaptiertes Selbstversorger-Bauernhaus (Wurzerhof). Zudem fertigt die Glaskünstlerin Anna Maria Huber Schmuck und Gebrauchsgegenstände. Die Tischlerei Lanser hat sich auf traditionelles Handwerk aus dem Villgratental spezialisiert. Die Villgrater und Villgraterinnen bemühen sich, findig und zäh ein Zweckbündnis mit der Natur einzugehen, engagiert unterstützt vom Alpenverein Sillian.

Die Herausforderung, die bergbäuerliche Landwirtschaft mit dem Tourismus und auch dem Naturschutz weitgehend in Einklang zu bringen, dieser Villgrater Weg ist prädestiniert für ein „Bergsteigerdorf“.„Wir sind ein Erholungsdorf. Und das ist unsere beste Propaganda“, stand im ersten Villgrater Werbeprospekt von 1958. Die Zeilen könnten von heute sein.

Die Villgrater Berge gelten seit ihrer alpinpublizistischen Entdeckung um 1900 durch Staralpinisten wie Ludwig Purtscheller oder John Ball, den ersten Präsidenten des britischen Alpine Club, als ideale Aussichtsplattformen für den Rundblick auf die Dolomiten im Süden und die Venedigergruppe wie den Großglockner im Norden. Purtscheller schrieb von einem „Hochbelvedere ersten Ranges“: Die Einschätzung gilt bis heute.

Das gesamte Villgratental kann man auf einer mehrtägigen Route umrundet werden. Den Herz-Ass-Villgratental Gebirgspanoramaweg, welcher nach der Herzform des Weges benannt ist, gibt es als durchgehend beschilderte Wanderung. Auf den insgesamt 5.750 Höhenmetern und 75,6 Kilometern Weglänge sind rund 50 namhafte Gipfel und unzählige namenlose Spitzen und Höhen zum Greifen nahe. Die hoch­alpine Umrundung Villgratens gelang erstmals 1988 den erfahrenen Alpinisten Norbert Mariacher und Konrad Hofmann.

Zu den zahlreichen lohnenden Tagestouren zählen die auch kulturgeschichtlich interessanten Wanderungen „Über die Jöcher“ ins Südtiroler Gsiesertal. Die auf den Bergkämmen Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren gezogene Staatsgrenze hat auch Villgraten geprägt. Über die Verbindungen zwischen den Nachbartälern informieren drei Themenwege zu „Bewirtschaftung“, „Brauchtum“ und der Tradition des Schmuggelns. Besonders als Schlechtwettervariante, für Abendspaziergänge oder einfach nur um das Tal besser kennen zu lernen, bieten sich die beiden gut ausgeschilderten Wege – Dorfrundweg bzw. Handwerkerweg in Innervillgraten und der Wasserweg – an. Der Dorfrundweg führt dabei in ca. einer Stunde durch das Dorf, vorbei an alten Zäunen,  „Herpfen“ und den örtlichen Handwerksbetrieben und gibt Einblicke in die Natur und traditionelles Handwerk im Tal. Der Wasserweg führt entlang des Villgrater Baches vom Grafer Wasserfall zum Klapfbach-Wasserfall bei der Unterstalleralm.

Die höchsten Höfe liegen im Villgratental höher als viele Almen, nämlich auf 1.730 Metern. Auf über 2.000 Metern wird bewirtschaftet. Charakteristisch für Villgraten sind die Almdörfer. Diese Hütten-Ensembles entstanden für die Viehhaltung im Sommer, als die Bauern mit Familie die Jahreszeit bei den Tieren auf der Alm verbrachten. Daher gleichen die Almhütten („Kasern“) kleinen Bauernhäusern, mit Wohnraum und Stall. Heute, seit die auch entlegeneren Almen gut erreichbar sind, haben die Hütten der Oberstaller-, Alfen-, Kamelisen- oder Brantlalm wie auch Hütten im verstreuten Almgebiet des Winkeltales oder am Thurntaler eine neue Funktion: als begehrte Unterkünfte für Urlauber.

Das Bergsteigerdorf Villgratental weist ein hohe Dichte an hervorragenden Ski­touren auf. In einem deutschsprachigen Magazin stand geschrieben: „Skitouren im Villgratental sind das Paradies. Und wenn es ein schöneres Wort dafür geben würde, dann müsste man es schreiben.“ Damit ist eigentlich alles gesagt. Die Villgrater Berge bieten Skitourengehern den ganzen Winter, der von November bis in den Mai reichen kann, gute bis großartige Bedingungen.

Eine hohe Dichte von über 45 ausgesuchten Touren, die fast 3000 m erreichen und in allen Schwierigkeitsklassen angeboten werden stehen für weniger geübte und für erfahrene Skitourengeher zur Verfügung. Gesammelt sind alle Touren im Skitouren­führer „Skitouren- und Schneeschuhtouren im Villgratental“. Gut trainierten Touren­gehern kann auch die mehrtägige Villgratental Umrundung die Herz-Ass Skitour empfohlen werden, die vier Überschreitungen und Top Skitourenberge beinhaltet. Die meisten Ski- und Schneeschuhwandertouren beginnen direkt im Tal, manche bei den Unterkünften, bei den Ferienwohnungen oder Gasthöfen der 3-Sterne Kategorie oder beim Haus des Südtiroler Alpenvereins nahe des Dorfzentrums. Da viele Anstiege über Almböden bis nahe an die Gipfel oder auf diese führen, sind Skitouren oft schon nach den ersten ergiebigen Schneefällen möglich.

Die große Auswahl an Touren ermöglicht ein Begehen auch bei unterschiedlichen Schneeverhältnissen und Lawinensituationen. Wer wenig Erfahrung hat oder sich unsicher fühlt, kann sich von einem geprüften Bergführer, Skiführer oder Wander­führer begleiten lassen.

Mit dem Winter 2015/16 wurde im Villgratental zusammen mit dem Land Tirol ein Skitourenlenkungskonzept eingeführt welches ein Miteinander von Skitourgehern, Grundbesitzern, Jagd und Forst beinhaltet und Touren im Villgratental zu einem noch größeren Genuss machen, da Wildtiere und andere Schutzobjekte in ihrem natürlichen Lebensraum nicht gestört werden.

Neben den Skitouren ist das Angebot im Winter äußerst abwechslungsreich: Für sportliche und erholsame Aktivitäten steht eine Loipe in Innervillgraten, drei Natur­rodel­bahnen und eine Reihe von Winterwanderwegen, Pferdeschlittenfahrten und ein Eislaufplatz zur Verfügung.